pte20080529030 Technologie/Digitalisierung, Unternehmen/Wirtschaft

Deutsche Telekom: Bespitzelungsvorwürfe weiten sich aus

Einzelfall unter Ausschluss der Öffentlichkeit schon 2007 aufgeklärt


Deutsche Telekom: Medien berichten über erste Bespitzelung im Jahr 2000 (Foto: telekom.com)
Deutsche Telekom: Medien berichten über erste Bespitzelung im Jahr 2000 (Foto: telekom.com)

Bonn (pte030/29.05.2008/12:36) Die Spitzelaffäre rund um die Deutsche Telekom könnte schon früher als angenommen begonnen haben. Wie die Financial Times Deutschland (FTD) berichtet, sollen erste Aufträge zur Überwachung schon im Jahr 2000 erteilt worden sein. Nach Informationen der FTD und des Wirtschaftsmagazins Capital wurde die Berliner Control Risks Group beauftragt, undichte Stellen im Unternehmen zu finden. In weiterer Folge sei auch ein Subunternehmen eingeschaltet worden, das vor allem den damaligen FTD-Reporter überwachen sollte. Dabei seien nicht nur Telefonverbindungen untersucht, sondern auch eine versteckte Kamera eingesetzt worden. Unterdessen werden Vorwürfe über die Verschwiegenheit des Unternehmens bei dem im Sommer 2007 aufgedeckten Einzelfall laut.

Man habe über den berichteten Auftrag nichts in den Unterlagen gefunden, zitiert die Zeitung Jürgen Stephan, Geschäftsführer von Control Risks. Sollten die Vorwürfe zutreffen, wäre dies ein klarer Verstoß gegen sämtliche Ethikrichtlinien des Unternehmens. Man habe bereits interne Untersuchungen eingeleitet. Von dem angeblich später beauftragten Subunternehmen Desa Investigation & Risk Protection heißt es, der Fall sei nicht bekannt und man habe nichts strafrechtlich relevantes getan. Keines der beiden beauftragten Unternehmen hätte die gewünschten Informationen zutage gebracht, berichtet die FTD. Schon im Sommer 2007 hatte die Telekom durch interne Hinweise von einem einzelnen Datenmissbrauchfall erfahren. Nach internen Ermittlungen habe man den Fall aufgeklärt, heißt es in einer Stellungnahme. Zudem wurde die in den Fall verwickelte Konzernabteilung "Unternehmenssicherheit" komplett umgebaut, neue personelle und organisatorische Kontrollmechanismen wurden eingeführt. Die rasche Aufklärung wäre bei gleichzeitiger Information der Öffentlichkeit nicht möglich gewesen, wehrt sich die Telekom gegen Vorwürfe, den Fall nicht bekannt gemacht zu haben. Deshalb habe man auch den betroffenen Redakteur zu dieser Zeit nicht informiert.

Es sei unangenehm, dass Informationen auftauchen, die zwar nichts mit dem operativen Geschäft zu tun haben, aber trotzdem für negative Nachrichten sorgen, sagt BayernLB-Analyst Robert Gallecker gegenüber pressetext. "Aus operativer Sicht sollten die Vorkommnisse keine Auswirkungen auf die Telekom haben. Dies aber unter der Voraussetzung, dass sich der Fall nicht ähnlich wie bei Siemens entwickelt, wo Altlasten dazu geführt haben, dass hochrangige Manager ihre Posten aufgeben mussten." Eine Personalverschiebung sieht der Analyst aus heutiger Sicht jedoch nicht auf den Konzern zukommen, da der Vorstand erst im Zuge der Umstrukturierung neu besetzt wurde. Der Unterschied zu Siemens sei zudem, dass dort auch Strafen und Schadensersatzforderungen miteingebunden waren.

Offen ist bislang, von wem die Aufträge erteilt wurden oder inwieweit die Konzerneinheit "Unternehmenssicherheit" eigenständig agierte. Die Aufnahme von Ermittlungen wegen Verletzung des Datenschutzes wird derzeit von der Bonner Staatsanwaltschaft geprüft. Der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom steht trotz der Negativschlagzeilen hinter dem Vorstandsvorsitzenden Rene Obermann, wie ein Konzernsprecher gestern, Mittwoch, bestätigte. Obermann habe mit den Vorwürfen nichts zu tun, Spekulationen darüber werden von dem Unternehmen zurückgewiesen. Gestern wurde die Überwachungspraxis in einer mehrstündigen Sitzung vom Telekom-Aufsichtsrat diskutiert.

Am vergangenen Wochenende brachte "Der Spiegel" die Affäre an die Öffentlichkeit. Das Magazin berichtete, die Telekom habe zwischen 2005 und 2006 Hunderttausende Verbindungsdaten aus Festnetz- und Mobiltelefonaten untersucht, um Informationslecks im Vorstand und Aufsichtsrat aufzudecken. Der Konzern räumte Fälle von missbräuchlicher Nutzung in diesem Zeitraum ein. Es seien jedoch keine Gespräche selbst abgehört worden. Die Telekom schaltete die Bonner Staatsanwaltschaft ein und versprach, die lückenlose Aufklärung zu unterstützen. Nach Angaben des Unternehmens wurde bereits am 14. Mai Anzeige erstattet. Zudem wurde eine Kölner Staatsanwaltschaft von dem Konzern mit der Untersuchung der Vorfälle beauftragt. Laut dem Medienbericht sei der Auftrag zur Bespitzelung vom damaligen Vorstand erfolgt und über das Aufsichtsratsbüro bezahlt worden. Der Spiegel beruft sich bei seinen Informationen auf ein Fax einer von der Telekom beauftragten Berliner Sicherheitsfirma.

(Ende)
Aussender: pressetext.deutschland
Ansprechpartner: Victoria Schubert
Tel.: +43-1-81140-314
E-Mail: schubert@pressetext.com
|